Sommer und Liebe auf Kreta Griechenland

Sommer auf Kreta

*Mit dem Auto nach Kreta *

oder Überraschung auf dem Weg in den Kreta Urlaub (eine Liebesgeschichte)

Schon abends freut er sich auf die erste Tasse Kaffee am frühen Morgen. In seinem Haus am Rande einer süddeutschen Großstadt lebt er wie auf einer freundlichen Insel. Und auf einer Insel darf er leben, denn er hat vieles von der Welt und dem Leben gesehen.
.Zwar ist er was das Materielle angeht recht gut versorgt, es besteht aber die Notwendigkeit und auch das Bedürfnis sich noch einmal, wie schon so oft in seinem Leben, neu zu orientieren. Vieles zerbrach und verging, und wurde neu gelebt. Diese Erlebnisse aber machten ihn erfahren und manchmal auch offen für das Ungewöhnliche.

Diese Reise mit dem Auto quer durch Österreich, das alte Jugoslawien bis nach Athen und dann mit dem Schiff nach Kreta, das ist ihm heute klar, war ein Teil dieser Suche. Der Suche nach was? Immer war er auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, auf der Suche nach seinem Gott, auf der Suche nach etwas, dass ihm Antwort auf viele brennende Fragen gibt. Und wo nicht überall wartete die Antwort auf das Rätsel des Seins.

Dort auf Kreta hatte er vor vielen Jahren in einem kleinen Dorf einen Freund fürs Leben gefunden. Dort wo es ihn immer wieder hinzog, dort wo er Schmerz und Liebe fand. Er kannte diesen Teil der Insel zu jeder Jahreszeit und die Insel kannte ihn. Es war seine zweite Heimat.

Diesmal hatte er Weihnachten und Neujahr alleine verbracht. Er musste und wollte auch vieles neu überdenken. Und heute Morgen, vor der Terrassentür auf seinen griechischen Stuhl sitzend, auch den hatte er mal im Flugzeug mitgebracht, die dritte oder vierte Tasse Kaffee in der Hand, warm angezogen, sah er die Frühnebel aufsteigen und wieder erlebte er zum x-ten Mal die Reise mit dem Auto quer durch Österreich, durch Jugoslawien bis nach Athen und dann mit dem Schiff nach Kreta.

Er wollte in der Nähe von Athen, in der kleinen Stadt Metamorphosis, übernachten, seine Fähre nach Kreta ging erst am nächsten Abend. Jener Abend also, auf der Suche nach einem Zimmer gerieten sie sich in die Haare. Er war müde und gereizt von der langen Autofahrt und der wenig glücklichen Zimmersuche.
Und sie hatte, das sagte sie ihm später, eine Auseinandersetzung mit einem protzigen, unverschämten Gast hinter sich.
Es war ungefähr so: Er fragte nach einem Zimmer oder einem kleinen Appartement zu einem halbwegs vernünftigen Preis. Sie bot ihm ein Zimmer für 30.000 Drachmen ohne Frühstück an.

„Ich will ein Zimmer für eine Übernachtung mieten und nicht kaufen“ erklärte er ihr erbost. „Wenn sie kein Geld haben, sollten sie nicht in ein vier Sterne Hotel gehen“ konterte sie spitz. Und so ging es ein paar Sätze hin und her. Beide waren zornrot und wütend. Er hätte ihr am liebsten den Hals umgedreht, zumal sie ihn in seiner einfachen Kleidung, Jeans und Hemd, unverschämt musterte, diese aufgetakelte Schickse, von etwas über 20 Jahren. Aufgetakelt? Halt !? Das stimmte nun gar nicht, stellte er fest. Im Gegensatz zu den meisten Frauen hier in der Hotelbranche, die sich hinter einer lebensfeindlichen Maske aus Schminke verstecken, war sie eigentlich von einem erfreulichen, natürlichen Aussehen. Aber auch das konnte ihn nicht bremsen. Zwar sagte man ihm nach, dass er in solchen Situationen ruhig und freundlich bleibt, obwohl er eher ein südländisches Temperament hat. Trotzdem wurde er, der normalerweise zur Freundlichkeit neigt, von etwas an ihr so gereizt, dass er selbige vergaß. Sie blieb ihm aber nichts schuldig und vergaß anscheinend, dass sie Hotel- angestellte war. – Zum Glück war um diese Zeit niemand anderer in der Hotelhalle anwesend, sie hätten sich nur lächerlich gemacht, hätte jemand dritter diesen Streit gehört. Auch so war es schon schlimm genug. Als beiden gleichzeitig klar wurde – – wie irrational und kindisch sie sich benahmen, erschraken sie beide im selben Augenblick über sich selbst. Ein schlimmer fast schmerzlicher Augenblick verlegenen Schweigens. Als Hotelangestellte hatte sie sich unmöglich benommen und er als Gast genauso.
Mit erschrockenen Augen sah sie ihn an. „Oh, mein Gott? Was kann ich nur tun, damit sie mir verzeihen? Bitte ich weiß gar nicht wie das passiert ist. Sie sah so unglücklich, bekümmert und fassungslos aus, dass er ihr wohl alles verziehen hätte.

Diese Wendung war genauso überraschend und unerklärlich wie der Beginn dieses sinnlosen Streites. „Verzeihen sie mir auch?“ fragte er sie.
Plötzlich lächelte sie. Da standen sie, sahen einander in die Augen, lächelten einander an und fühlten sich sehr, sehr wohl.

In diesem Moment sah er sie zum ersten Mal so richtig an, diese junge hübsche Frau, in ihrem Kostüm ganz ohne Make–Up oder Schmuck, glatte schwarze Haare und große, dunkle Augen, die jetzt voll Wärme strahlten.

Später, er hatte mit ihrer Hilfe ein Zimmer in einer gemütlichen Pension gefunden, nach ihrem Feierabend aßen sie in einer kleinen Taverne zusammen Abend. . Der rote Hauswein funkelte im Licht der Öllampe auf dem Tisch.
Sie sprachen lange miteinander über alles Mögliche, und es war wunderschön, die Worte kamen wie von selbst. Seit langem hat er sich nicht mehr so frei und wohl gefühlt in seinen Gedanken. Manchmal lachten beide über seine griechische Aussprache. Hatte er jemals so ein Gefühl von Glück, von Zugehörigkeit, von Verständnis verspürt? Mit einem unsagbaren Erstaunen wurde ihm klar, dass er glücklich war, einfach glücklich. War er es jemals vorher gewesen? Er war wie verzaubert, nein – beide waren wie verzaubert.

Er verbrachte die Nacht nicht in seiner Pension, sondern mit ihr in ihrem Bett. Sie schliefen nicht miteinander; dazu waren beide viel zu ergriffen. Sie schliefen überhaupt nicht. Sie hielten sich umarmt, sprachen leise miteinander, streichelten einander und glaubten zu sterben vor Glück. Erst gegen Morgen sanken sie eng umschlungen in tiefen Schlaf.

Nach dem Frühstück rief sie ihren Chef an und setzte gegen seinen Widerstand einen Urlaub von vier Wochen durch, um mit ihm zusammen zu sein.

Er verschob seine Kretaüberfahrt und sie fuhren kreuz und quer durch den Peloponnes, auf einsamen Strassen, durch kleine malerische Orte, stahlen Äpfel aus Klostergärten; oft machten sie Picknick unter alten Tamarisken, die mit den Sternen sprachen.

Diese vier Wochen mit ihm hatte sie sich erkämpft, denn sie wussten beide, es gab keine Zukunft. Sie haben oft darüber gesprochen, oft zornig, oft traurig und verzweifelt. Sie lebten in verschieden Welten .Sie war jung und hatte das Leben noch vor sich, er war älter und hatte
Zu viel erlebt.

Niemals zuvor hatte er ein so wunderbares Mädchen, eine so wunderbare Frau gekannt. Sie war voller Leben, so voll Liebe zu ihm, so reif und erwachsen und war doch ein Kind geblieben. Sie fuhren dahin Tag um Tag auf verzauberten, stillen Straßen, unter dem seidenweichen, klaren Licht des wolkenlosen, griechischen Himmels. Es gibt keine Worte die Wärme, die Zärtlichkeit, die Melancholie dieser Liebe zu beschreiben, in die sie sich gegenseitig einhüllten. Jede Berührung war Glück.

Als sie zum ersten Mal miteinander schliefen, lernte er eine Menge dazu.  Nein, sie war nicht liebes erfahren. Sie beherrschte keine Techniken oder was auch immer. Er, der er nicht unerfahren war, er der die erotischen Liebesspiele liebte und beherrschte. Er erlebte zum ersten Mal so richtig , wie es sein kann , wenn zwei Menschen sich einander voll Vertrauen öffnen, sich einander hingeben. Nein, er hatte das schon einmal erlebt. Aber das war vor langer Zeit. – – Wenn damals nicht diese Krankheit gewesen wäre, wenn er seine damalige Liebe nicht an den Tod verloren hätte. Ja dann…

Sie waren beide sehr still, als die vier Wochen zu Ende waren. Sie hatten vereinbart, er bringt sie an ihrem letzten Urlaubstag an den nächsten Bahnhof und sie würde einen Zug zurücknehmen. Als es dann so weit war brachte er sie mit dem Auto zurück nach Metamorphosis; so hatten beide noch einen Tag und eine Nacht. Sie hielt ihn ganz fest umschlungen und weinte, er ebenfalls.

Nebeneinander, sich an den Händen haltend, gingen sie am Strand entlang, der ganz nah an der Pension, in der sie die letzte Nacht verbrachten lag. Es war still, man hörte nur das Murmeln des Meeres. Flisvos wie es auf Griechisch heißt.
„Warum machst Du mir keinen Heiratsantrag, oder nimmst mich einfach mit zu dir nach Hause“, fragte sie „Weil ich um so vieles älter bin als du“, antwortete er nach einer Weile des Nachdenkens. „Das ist mir ganz egal. Ich liebe dich, ich weiß ich werde nie mehr einen Mann so lieben können wie dich.“
„ Auch ich liebe dich, ich liebe dich wie man nur einen Menschen lieben kann.“ „Sag doch ja zu mir“

Es war still, beide schwiegen, und auch das Meer hielt für eine Sekunde inne.

„ In einigen Jahren wirst du immer noch eine junge Frau und ich werde ein alter Mann sein. Es wäre mir unerträglich, dich dann festhalten zu wollen. Und trotzdem, wenn wir zusammenbleiben und du würdest mich später verlassen, ich weiß, es würde mir das Herz brechen.“ So sagte er mit tiefer, trauriger Stimme.

Sie stand da mit gesenktem Kopf, bohrte mit dem Schuh im Sand. Dies machte sie nur, wenn sie nachdenklich oder stur war. „Ich würde für immer bei dir bleiben, ich würde sogar mit dir Sterben – und ich wäre glücklich dabei.“

Er nahm sie einfach in seine Arme. Sie fühlten einander und waren beide voll Angst vor der Zeit, die unaufhörlich, ja erbarmungslos verrann, vor der Zeit der Einsamkeit. „Ich kann überall Arbeit finden“, flüsterte sie mit trotziger Mine zu ihm. „ Ich komme einfach mit dir mit!“

„Nein“ , ich Liebe Dich, ich will dich bei mir haben, und trotzdem, ich kann nicht zulassen, dass du deine Zukunft opferst für ein paar Jahre unmöglichen Glücks. Glaub` mir, ich weiß wovon ich spreche.“

Am nächsten Tag brachte er sie nach Hause. Er fuhr in einem Tag und in einer Nacht ohne Unterbrechung in die Stadt in Süddeutschland. Es war ihm auf der ganzen Rückfahrt so, als würde sie neben ihm sitzen, als fühlte er ihre Hand auf seinem Schenkel, als spürte er die letzte verzweifelte Umarmung, als hörte er ihre weiche, dunkle Stimme, die ein – ich liebe dich- flüstert. So fuhr er also nach Hause.

Auch heute hatte sie ihn nicht verlassen. Oft geht er nachts hinaus und sieht die Sterne über sich. . Er hat entschieden, ja er hat entschieden gegen seine eigenen Gefühle und schlimmer gegen ihre.

Er glaubt, er weiß mehr als sie. Er weiß, dass wir Menschen sterben können an einer Wirklichkeit, die wir nicht leben können, dass Menschen oft nur von Möglichkeiten leben, irgendwo bleibt letztlich Alles offen. Irgendjemand hat mal gesagt: Das höchste Ziel das wir erreichen sollen, ist es sich nichts mehr zu wünschen. – auch in der Liebe.
Und er, er dachte immer, wenn wir keine Wünsche mehr hätten, wären wir tot. Aber er hat Wünsche und fühlt sich tot.

Natürlich haben beide miteinander telefoniert, sich Mails geschrieben.

Und er sagt noch immer energisch zu sich selbst. Nein zu dieser Liebe, einfach deshalb weil der Altersunterschied zu groß ist, weil er kein Recht hat ihr die Zukunft zu verbauen und weil weil….
Und trotzdem lebt er sein Leben und er lebt es eigentlich gut, bis zu dem Tag in Metamorphosis der kleinen Stadt in der Nähe von Athen. Oft träumt er von ihr. Kein Mensch außer ihr interessiert ihn überhaupt noch. Er liebt sie.

Wieder vor der Terrassentür auf seinem griechischen Stuhl sitzend, die dritte oder vierte Tasse Kaffee in der Hand, warm angezogen , sieht er die Frühnebel aufsteigen.
Er weiß, dass diese Liebe unmöglich war. Aber er fühlt auch, dass er ohne diese Liebe todunglücklich ist. Alles in ihm ist erstarrt. Sein Innerstes gleicht einem zugefrorenen Teich.
Ihm ist klar, er kann nicht zulassen, dass diese junge Frau sich an ihn bindet und sich die Chance vergibt einmal Familie und Kinder zu haben. Jetzt, denkt er, wäre er bereit zu dieser Liebe, wenn es nur darum ginge, dass sie mich später verlässt, und mein Leben zu Ende wäre.
Er weiß auch, dass ihr diese Liebe zu ihm jede Möglichkeit nehmen würde ein normales Leben mit Mann und Kindern zu leben. Jetzt sagt er nur noch ihretwegen nein. Aber steht es ihm zu, für sie zu entscheiden.

Er handelt gegen seine Gefühle, nur nach dem Verstand. Zuviel Schreckliches hat er erlebt. Beginn, Ende Einsamkeit, den Verlust einer geliebten Partnerin durch den Tod, die etliche Jahre Mittelpunkt seines Lebens war. Diese Erfahrungen haben ihn doch mehr geprägt als er wahrhaben will. Er hat viel dafür bezahlt, zu lernen was man als richtig erkannt hat.

Und dennoch was fängt er an mit dem Meer von Zärtlichkeiten, dass er für sie empfindet? Was fängt er an mit der Liebe zu ihr?

Plötzlich vom Läuten des Telefons aus seinen Gedanken und Träumen gerissen, springt er hoch und geht mit schweren in sein Wohnzimmer, hebt das Telefon ab, meldet sich wie immer mit einem „ja“. Mit erstauntem und angespanntem Gesicht lauscht er der Stimme am anderen Ende. Seine Augen werden größer und langsam laufen Tränen über seine Wangen. Tränen, die solange nicht geweint wurden. Dann hört er sich sagen ich bin gleich da. Das Telefon weglegen, seine alte Jeans und sein Hemd anziehen sind fast eins. Er läuft los. Er lacht und singt. Sie ist am Bahnhof.

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